Für Tote gibt's kein Dolce Vita
Leichen, Luxus, Limoncello – ein neuer Mordfall in der Toskana für Tonia & Rick und Dackeldame Upsy.
Klappentext
Willkommen zurück in Viareggio! Bei ihrem ersten gemeinsamen Fall sind Kleptomanin Antonia und Privatdetektiv Rick sich nähergekommen. Als die beiden nun am Hafen mit Dackeldame Daisy spazieren gehen, begegnen sie einem ehemaligen Kollegen von Rick. Edigio deutet an, dass seine aktuellen Ermittlungen mit Ricks Entlassung aus dem Polizeidienst zusammenhängen. Doch bevor Rick ihm mehr Informationen entlocken kann, wird Edigio erstochen am Yachthafen aufgefunden. Der Hauptverdächtige: Rick. Nun setzt Antonia alles daran, den Mord auf eigene Faust aufzuklären und Ricks Namen reinzuwaschen. Zum Glück helfen ihr dabei ihre kauzigen Großeltern und Dackel Daisy, denn bald wird es brenzlig unter der toskanischen Sonne.
Leseprobe
»Na, ich fasse es nicht!«, rief ein stämmiger Mann mit Backenbart und starrte meinen Begleiter an. »Das ist doch Riccardo Damiani!«
Rick zuckte zusammen, und sein ganzer Körper wurde steif. Ich konnte es fühlen, obwohl mindestens zwanzig Zentimeter zwischen uns waren.
Auch Upsy Daisy merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie war mit wedelndem Schwanz im Sand vor unseren Füßen herumscharwenzelt, doch nun drehte sie sich abrupt um und drängte sich an meine Beine. Ich hob die kleinen Dackeldame hoch und drückte sie an meine Brust. Warum hatte ich plötzlich den Eindruck, dass sich eine dunkle Wolke vor die heiße Junisonne geschoben hatte?
Der Holzpier von Viareggio lag vor uns, dahinter glitzerte das ligurische Meer verlockend. Kinder jagten lachend durch den Sand, ihre Eltern schliefen bäuchlings auf Liegen oder plauderten entspannt miteinander, und draußen zogen einige Motorboote sanft ihre Runden. Die leichte Brise wehte uns nicht nur die salzige Meeresluft, sondern ab und zu auch den Duft der Pizzeria hinter uns um die Nase. Und vor allem: Das gelato al limon in meiner Hand schmeckte herrlich erfrischend. Ein ganz normaler Sommersonntag in Viareggio.
Und doch.
Ricks Gesicht war unbewegt, fast harsch. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Verunsichert blickte ich von Rick zu dem jovialen Mann, der ihm nun die Hand schüttelte, als ob er Geld dafür bekäme, und ihm gleichzeitig voller Begeisterung auf die Schulter klopfte.
Rick sah aus wie ein deutscher Nussknacker, sein Schokoladeneis vergessen in der linken Hand. Nur seine blonden Haare bewegten sich leicht in der Brise, aber seine blauen Augen, die so strahlen konnten, waren kalt wie Gletscher. »Egidio.« Er schien den Namen nur mit Mühe über die Lippen zu bringen.
Egidio lachte und gab Rick noch einen spielerischen Klaps auf den Arm. »Na also! Ich dachte schon, dich hat der Schlag getroffen! Wie geht es dir, altes Haus? Das ist ja schön, dich wiederzusehen! Was machst du so? Erzähl doch mal! Ist ja ewig her, dass wir in Kontakt waren, ich glaube, seit –« Er brach ab und schaute entsetzt, als ob er fast etwas Unanständiges gesagt hätte.
»Seitdem ich bei der Polizei rausgeflogen bin.« Ricks Stimme klang ganz anders als sonst, flach und hart.
Upsy winselte leise.
Egidio nahm Ricks Arm und schüttelte ihn. Es sah ein wenig aus, als ob eine kleine Hafenbarkasse versuchte, einen Ozeandampfer zu bewegen. »Mein lieber Junge! Ich hab's immer schon gesagt. Damals wie heute, ich bin überzeugt, dass du nichts damit zu tun hattest. Ein Bauernopfer warst du, jawohl!«
Ricks bewegte sich immer noch nicht. Die Muskeln an seinem Kiefer zeigten, dass er die Zähne fest zusammengebissen hatte. »Was tust du hier, Egidio?« Es klang nicht besonders freundlich, doch Egidio schien das nicht zu bemerken.
»Ich bin hier in Doppelfunktion, mein lieber Junge, in Doppelfunktion.«
Was auch immer das heißen mag. Ich runzelte die Stirn.
Egidio legte theatralisch einen Finger auf den Mund. »Offiziell mache ich Urlaub mit meiner Frau.« Er machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm. »Das Meer, die Sonne, die himmlische Ruhe …«
Ich blickte auf das kreischende Kind in den Wellen, das gerade von seiner Mutter in voller Lautstärke an Land gerufen wurde. Wenn er das Ruhe nannte, fragte ich mich, wo er sonst lebte.
Egidio zwinkerte übertrieben. »Und dann habe ich auch einen kleinen, gemütlichen Fall hier zu bearbeiten. Nicht ganz unser normaler Job, aber ich habe mich bereit erklärt auszuhelfen. Doch darüber sprechen wir nicht. Nein, nein, offiziell mache ich Urlaub und sonst gar nichts.« Er strahlte Rick an. »Schließlich sollte man niemals Nein sagen, wenn eine Gelegenheit kommt, die einen an einen so wunderbaren Urlaubsort wie Viareggio verschlägt.«
»Ist … ist sonst noch jemand hier?« Es klang, als ob Rick sich zwingen müsste, die Frage zu stellen.
Egidio starrte ihn überrascht an. »Sonst noch? Du meinst von dem alten Team? Nein, nein, ich bin ganz alleine hier. Von Paolo hast du ja bestimmt gehört, oder?« Seine Augen blickten Rick für einen Augenblick scharf an.
Plötzlich fiel mir auf, dass diese Augen viel zu eng zusammenstanden.
Rick runzelte die Stirn. »Was ist mit Paolo?«
Egidio zuckte mit den Schultern. »Na ja, kurz nachdem du weg warst, haben sie auch noch behauptet, dass Paolo mit dir unter einer Deckte steckte.«
»Paolo?« Rick starrte Egidio an. »Paolo?«
»Ja. Er wurde ein paar Wochen nach dir suspendiert. Ist knapp um 'ne Gefängnisstrafe herumgekommen, weil die Beweise fehlten.«
»Paolo?« Rick war so blass, dass ich für einen Augenblick fürchtete, er würde in Ohnmacht fallen.
Egidio schaute betreten aufs Meer und dann auf seine Füße. »Na ja, ist lange her.« Er lachte nervös. »Wasser unter der Brücke, würde ich mal sagen. Lass uns nicht über alte Geschichten reden.«
Rick packte Egidio bei den Schultern. »Egidio, es ist völlig ausgeschlossen, dass Paolo etwas mit dem Drogenschmuggel zu tun hatte. Glaub mir!«
Egidio wand sich unter dem Griff und verzog das Gesicht. »Mein lieber Junge, ich weiß, dass ihr befreundet wart. Ich glaube, das war der Grund, warum sie ihn …« Er brach ab. »Aber was rede ich denn da. Jedenfalls ist es alles lange her, und wir brauchen nicht mehr darüber zu sprechen. Meine Meinung kennst du. Ich habe immer wieder gesagt, dass weder du noch Paolo es gewesen sein können.«
»Aber wer war es dann?«
Egidio schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Rick. Ich habe mir monatelang den Kopf zerbrochen, aber ich bin kein Stück weiter gekommen.« Für einen Augenblick erschlafften seine Wangen, und er sah wie eine traurige Bulldogge aus. »Darum haben sie mir auch nicht geglaubt.«
»Aber –«
Egidio blickte über meine Schulter, machte einen kleinen Sprung und fing an, wild zu winken.
Ich drehte mich um, doch ich konnte nicht erkennen, wem er zuwinkte.
»Da ist meine Frau! Mein lieber Junge, ich muss los. Sie ist ein wenig ungeduldig. Wir sehen uns! Ich wohne im Hotel Superior Royal Splendide. Komm mal auf einen Drink vorbei! Dann plaudern wir über die alten Zeiten, bevor … na ja, also, bis bald! Arrivederci!« Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, stob er davon.
Ich setzte Upsy vorsichtig wieder auf den Boden und sah nachdenklich zu Rick.
Er blickte starr aufs Meer hinaus.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass er sich meiner Gegenwart überhaupt noch bewusst war. Schon vor diesem bizarren Gespräch war mir klar gewesen, dass er wegen irgendeines Skandals aus der Polizei geflogen war. Mehr hatte Rick mir allerdings noch nicht verraten, und ich wollte ihn nicht drängen. Ich hatte meine eigenen Dämonen zu bekämpfen und war dankbar, dass Rick sie nicht ständig zur Sprache brachte. Letzten Endes kannten wir uns noch gar nicht lange, obwohl er sich so vertraut anfühlte.
Ich schaute zu Upsy Daisy, die gerade mit wehenden Ohren ein Loch in den Sand buddelte. Eigentlich hatte ich es ihr zu verdanken, dass Rick so oft bei mir war. Er hatte sich Hals über Kopf in die kleine Dackeldame verliebt und versprochen, mich bei ihrer Erziehung zu unterstützen. Und so waren wir oft zu dritt unterwegs. Ich hatte Rick viel von meiner Jugend als Zirkuskind erzählt, von meinen verrückten Großeltern und meinem exzentrischen Vater, doch er hatte sich ausgesprochen bedeckt gehalten. Ich wusste nur, dass er irgendwo aus der Nähe von Rom kam, der Älteste von vier Geschwistern war und drei Schwestern hatte.
Plötzlich drehte sich Rick mit einem Ruck zu mir um. Seine blauen Augen waren immer noch hart, doch es war ein anderes Element dazugekommen – eine Art wütendes Feuer, das mir für einen Augenblick die Luft nahm. Mir fiel das Eis aus der Hand.
»Paolo hätte sich niemals für Rauschgifthandel hergegeben«, sagte er. »Niemals.« Er berührte meine Schulter. »Entschuldige bitte, Tonia, aber ich muss einen Augenblick alleine sein.« Damit drehte er sich auf dem Absatz um und eilte über den Strand davon.
Sprachlos starrte ich hinter ihm her. Er hatte sich noch nicht einmal von Upsy verabschiedet. Das war noch nie vorgekommen.
Weitere Informationen
Erhältlich als E-Book und Taschenbuch ab dem 27. Mai 2022