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Beate Boeker

Mord al Mare

Florentinische Morde 5
Florentinische Morde #5

Die Familie Mantoni fährt zum alljährlichen Familienurlaub in das malerische Forte dei Marmi am Ligurischen Meer, doch dann wird der unsympathische Hotelmanager erschossen aufgefunden, und die Mantonis weigern sich, ihre Geheimnisse zu verraten ...

    Reviews

    Wenn eine Autorin Spaß macht, dann diese. Krimi mit vielen herrlich schrägen Gestalten. Klasse. Italienisches Lebensgefühl pur und die Hauptpersonen so sympathisch.

    Buchhändlerin Hannelore Wolter auf NetGalley



    Gewohnt humorvoll entführt uns der neue Krimi von Beate Boeker nach Italien – dieses Mal ans Ligurische Meer. Es gibt wieder zahlreiche Verdächtige und Verwicklungen. Fans von unblutigen Krimis, die eine leichte Urlaubslektüre suchen, werden hier voll auf ihre Kosten kommen.

    Rezensentin auf NetGalley



    Auch der 5. Fall ist wieder äußerst erfrischend und unterhaltsam. Familienchaos pur und mittendrin mal wieder eine Leiche! Eine schöne italienische Alternative zum bayerischen Eberhofer. Lachen garantiert! Ich werde mir auch den nächsten nicht entgehen lassen!

    Buchhändlerin Ursula Kallipke auf NetGalley

    Klappentext

    Die Familie Mantoni fährt zum alljährlichen Familienurlaub in das malerische Forte dei Marmi am Ligurischen Meer. Auch Carlina und Commissario Stefano Garini sind mit von der Partie. Doch kaum sind sie im Hotel angekommen, wird der unsympathische Hotelmanager erschossen aufgefunden. Der lokale Commissario übernimmt den Fall und verdächtigt sofort Carlinas Cousin Ernesto. Das kann der Mantoni-Clan natürlich nicht hinnehmen und bestürmt Stefano, die Untersuchung zu übernehmen. Dieser hatte sich seinen ersten gemeinsamen Urlaub mit Carlina wahrlich anders vorgestellt, willigt aber ein, Ernesto zu helfen. Auch die Mantonis mischen kräftig mit, halten jedoch brisante Informationen zurück. Schon bald weiß Stefano nicht mehr, wem er noch glauben kann … und das schließt Carlina mit ein.

    »Stopp! Stopp!« Die dröhnende Stimme von Tante Violetta erfüllte den kleinen Bus mit so heftiger Dringlichkeit, dass alle Mitglieder der Mantoni-Familie erstarrten.

    Lucio trat abrupt auf die Bremse und brachte den Neunsitzer mit quietschenden Bremsen zum Stehen. »Was ist los?« Er drehte sich auf dem Fahrersitz um und schaute die neunundneunzig Jahre alte Matriarchin der Familie mit einer Mischung aus Sorge und Ungeduld an. »Was ist es diesmal?«

    Tante Violetta, die neben ihm saß, starrte geradeaus aus dem Fenster, ohne seinen Blick zu erwidern. »Ich habe etwas vergessen.« Sie sprach mit der lauten Stimme einer Tauben.

    Ein kollektiver Seufzer erklang. Dies war das dritte Mal, dass die Familie gezwungen war, den Beginn der Sommerferien aufzuschieben, nur um etwas einzusammeln, das irgendein Mantoni vergessen hatte.

    Eine Sekunde lang sah es so aus, als ob Lucio einen Wutanfall bekommen würde. Er hatte ein heftiges Temperament, das sich meist zeigte, wenn es darum ging, seine ausgesprochen unabhängige Frau Emma zu beschützen. Aber dieses Mal zuckte er nur mit den Schultern und nutzte die nächste Gelegenheit, um eine Kehrtwendung zu machen und zurück zu Tante Violettas Villa zu fahren, die sich im Außenbezirk von Florenz befand.

    Emma, die direkt hinter ihrem Mann saß, lehnte ihren attraktiven Kopf an die Kopfstütze und schob ihre Sonnenbrille hoch, sodass sie in ihren langen braunen Haaren steckte. Dann verdrehte sie die Augen und seufzte entnervt, aber sie enthielt sich jeden weiteren Kommentars.

    Lucio sprach immer noch mit Tante Violetta. »Sag Omar, was du brauchst, dann kann er es für dich aus dem Haus holen.«

    Omar, Tante Violettas Adoptivsohn, saß direkt hinter seiner Mutter. Jetzt beugte er sich nach vorne, bereit, ihre Anordnungen entgegenzunehmen, sein dunkles Gesicht unbeweglich wie immer.

    Aber Tante Violetta presste die runzeligen Lippen zusammen und sagte kein Wort.

    Fabbiola, zwischen Omar und Emma eingepfercht, beugte sich ebenfalls nach vorne, damit Tante Violetta sie auf dem Beifahrersitz auch hörte. Auf ihrem Schoß umklammerte sie ein großes Kissen mit buntem Blumenmuster in Orange und Gelb. In voller Lautstärke schrie sie: »Ist es wirklich nötig, noch einmal umzukehren, Tante Violetta? Könnten wir es nicht kaufen, wenn wir nach Forte dei Marmi kommen?«

    »Nein.« Tante Violetta gab das Wort wie einen Schuss ab.

    In der letzten Reihe des kleinen Busses nahm Carlina Stefanos Hand und lächelte ihn entschuldigend an. Es war das erste Mal, dass sie gemeinsam in den Urlaub fuhren. Nun, eigentlich war es kein wirklicher Urlaub, mehr ein verlängertes Wochenende. Da ferragosto, der fünfzehnte August und wichtigste Sommerfeiertag in Italien, dieses Mal auf einen Freitag fiel, hatte die Familie beschlossen, ihren Jahresurlaub an dem Mittwoch zuvor zu beginnen. Jedes Jahr buchten sie Zimmer in dem kleinen Hotel mit dem kreativen Namen Albergo Giardino – Gartenhotel. Die Fahrt von Florenz dauerte nur eineinhalb Stunden, was wichtig war für die Familienmitglieder, die nach ferragosto wieder arbeiten mussten. Nur vier Mantonis saßen nicht im Bus: Carlinas Tante Benedetta und Leopold Morin, der Franzose, mit dem Benedetta zusammen war, sowie Benedettas rothaarige, erwachsene Kinder Annalisa und Ernesto. Sie fuhren separat mit einem Auto, das die arbeitenden Familienmitglieder nach dem Wochenende wieder zurück nach Florenz bringen sollte.

    »Eigentlich wäre ich lieber alleine mit dir weggefahren«, sagte Carlina leise. »Ich hatte mir unseren ersten gemeinsamen Urlaub etwas idyllischer vorgestellt.«

    Stefano legte ihr den Arm um die Schultern. »Das hätte ja auch fast geklappt.«

    Sie seufzte. »Wenn du nicht wieder ungeplant einen Mordfall hättest übernehmen müssen, weil deine Kollegen bei der Mordkommission alle krank wurden.«

    Er nickte. »Und die Sommersaison ist so wichtig für deinen Laden, dass nur dieses Wochenende infrage kommt. All diese Touristen scheinen ihren Urlaub dazu zu nutzen, sich in Temptation mit neuer Luxusunterwäsche auszustatten.«

    »Du meinst, damit sind wir quitt?«

    »Ja.«

    Sie seufzte wieder. »Na gut. Eigentlich sollte ich mich auch nicht beschweren, dass der Laden läuft. Stattdessen sollten wir froh sein, zumindest diese paar Tage am Meer zu haben … selbst wenn der ganze Clan dabei ist.«

    Er zog sie näher an sich heran. »Ich freue mich.«

    »Ich mich auch.« Es klang ein wenig kleinlaut. Sie freute sich wirklich, nicht nur auf die Zeit mit Stefano. Sie hatte auch immer Spaß während der Urlaube mit ihrer nicht ganz normalen Familie und wäre traurig gewesen, einen zu verpassen. Doch andererseits war da diese tief sitzende Angst, dass ein längerer, ungefilterter Kontakt mit ihrer überschäumenden und exzentrischen Familie irgendwann dafür sorgen könnte, dass Stefano hastig das Weite suchte.

    Dies war wieder einer dieser Momente, in denen sie wünschte, die Familie würde ein wenig mehr Selbstbeherrschung zeigen. Sie wirkte wie eine Ansammlung von fest verschlossenen Dampfgartöpfen, bei denen jede Sekunde der Druck stieg. Nicht mehr lange und einer von ihnen würde explodieren, während der Dampf aus den Ohren kam. Alle waren müde, genervt und von den Vorbereitungen in letzter Minute gestresst. Ihre Mutter hatte genug Essen mitgebracht, um sie auch dann noch verpflegen zu können, wenn sie einen spontanen Abstecher nach Afrika machten, und der Geruch der Salami zog langsam durch den Bus.

    Carlinas Großonkel Teo, der auf Carlinas anderer Seite vor sich hin döste, hatte sich das Vorrecht eines achtzigjährigen Patriarchen herausgenommen und noch nicht einmal darüber nachgedacht, ein Taschentuch einzustecken, sodass Carlina und Emma in letzter Minute hastig einen Koffer für ihn packen mussten. Emma hatte einige vernichtende Bemerkungen über ihren schlecht organisierten Großonkel gemacht, aber Carlina erinnerte sie daran, dass seine Frau vor weniger als einem Jahr gestorben und es sein erster Urlaub ohne sie war. Damit brachte sie ihre Cousine zum Schweigen, bevor Onkel Teo sie hören konnte.

    Es war also alles chaotisch wie immer und Carlina konnte es gar nicht abwarten, in dem Hotel mit dem großen Pool anzukommen, wo dicht belaubte Olivenbäume die Natursteinwege zum Haus hin beschatteten. Sie wusste, dass die Familie sich in dem Moment beruhigen würde, in dem jeder in seinem angestammten Zimmer war, und dass dann der wahre Urlaub beginnen würde. Aber noch war es nicht so weit. Sie seufzte und drückte Stefanos Hand.

    »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Es wird besser, wenn wir erst da sind.«

    Er lächelte sie an, ein kleines, ironisches Lächeln, das ihr Herz flattern ließ. Es sagte ihr zwei Dinge: Er schätzte es, dass sie sich um ihn Gedanken machte … und er glaubte kein Wort. Es war deutlich, dass er sich auf einige Tage ungefilterter Mantoni-Verrücktheit eingestellt hatte, um sie glücklich zu machen.

    Carlina biss sich auf die Unterlippe. Sie war wild entschlossen, ihnen beiden eine Auszeit zu verschaffen, als Ausgleich zu all dem Chaos, das entstand, wann immer die Mantonis irgendwo auftauchten. Wenigstens konnten sie zum Sonnenuntergang einen Spaziergang am Strand machen. Ja, das war ein Bild, das sie im Kopf behalten sollte.

    In diesem Augenblick trat Lucio hart auf die Bremse. Sie hatten Tante Violettas Villa erreicht.

    Omar schaute seine Adoptivmutter erwartungsvoll an.

    Stefano beugte sich zu Carlina. »Hat er eigentlich noch nie gesprochen, auch als Kind nicht?«

    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, niemals. Du weißt doch, dass ihn ein traumatisches Erlebnis in seiner Jugend hat verstummen lassen. Das war aber schon lange vor der Adoption, und wir wissen nichts über die genaueren Umstände.«

    Omar neigte den Kopf und hob eine Hand mit der Handfläche nach oben. Die Tattoos auf seinen muskulösen Armen ließen seine Haut noch dunkler erscheinen. Als Tante Violetta ihn in Ägypten adoptiert hatte, war sie schon Ende sechzig gewesen, aber auch in diesem Alter war sie energiegeladener als die meisten Dreißigjährigen. Omar war jetzt in den Dreißigern, genau wie Carlina und Stefano, aber sein sehniger Körper überragte sie alle, und es amüsierte Carlina immer, dass ein so sanfter Mann so gefährlich aussah.

    Tante Violetta flüsterte etwas in sein Ohr.

    Einen Augenblick lang schien Omar erschrocken zu sein, dann nickte er, drückte sich an Tante Violettas zusammengefaltetem Rollstuhl vorbei und sprang aus dem Bus.

    Carlinas Mutter Fabbiola schob sich eine Strähne ihres hennaroten Haares aus der Stirn. »Ich kann mir nicht vorstellen, was du vergessen haben kannst, das sowohl geheim als auch unersetzlich ist.«

    Tante Violetta wendete den Kopf und warf ihr einen tödlichen Blick zu. »Und ich kann mir nicht vorstellen, warum wir zurückfahren mussten, um ein Kilo Salami mitzunehmen.«

    Fabbiola wurde rot vor Wut. »Sie wäre schlecht geworden, wenn wir sie zu Hause gelassen hätten.«

    »Blödsinn.« Tante Violetta schnaufte verächtlich. »Salami hält sich ewig.«

    Omar kehrte mit einem kleinen Beutel zurück und überreichte ihn Tante Violetta mit einem Blick, den man fast böse nennen konnte.

    Sie nickte zufrieden und stopfte den Beutel hinter ihren Rücken. »Danke, mein Lieber.«

    Carlina runzelte die Stirn. Es war deutlich zu sehen, dass Omar unzufrieden war, und das an sich war schon ungewöhnlich. Omar war ein ausgeglichener Mann, und es machte ihm nie etwas aus, Dinge für seine Adoptivmutter zu holen. »Was ist in diesem Beutel, Tante Violetta?«

    Tante Violetta zog es vor, die Frage zu ignorieren.

    Carlina hob ihre Stimme. »Tante Violetta? Was ist in dem Beutel?«

    Omar, der jetzt wieder auf seinem Platz saß, biss sich auf die Lippe und starrte geradeaus.

    »Nichts für neugierige Mädels.« Tante Violetta stieß Lucio mit einem dicken Finger in die Seite. »Worauf warten wir noch, Lucio? Wir wollen doch alle so schnell wie möglich ans Meer, oder?«

    Lucio reagierte, indem er den Hügel in einem halsbrecherischen Tempo hinunterraste.

    »Lucio!« Fabbiola hielt sich krampfhaft an Omar fest. »Fahr bitte langsamer! Du wirst uns noch alle umbringen!«

    »Ihr solltet dankbar sein, dass Lucio uns überhaupt fährt.« Emma hob ihr Kinn. »Gibt es noch irgendjemanden hier, der unbedingt noch einmal nach Hause muss, um eine geheime und wahnsinnig wichtige Sache zu holen, oder können wir jetzt endlich wirklich losfahren?«

    Carlina blendete die vertrauten Familienzetereien aus und konzentrierte sich auf die Dinge, auf die sie sich freute. Sie wollte ausschlafen und sich zusammen mit Stefano ganz langsam für den Tag fertig machen, mit der verrinnenden Zeit als Freundin, nicht als Feind.

    Sie freute sich darauf, am Hotelpool zu sitzen und ohne Unterbrechung ein gutes Buch zu lesen. Sie hatte extra einige Romane von ihren Lieblingsautoren eingepackt.

    Sie freute sich darauf, eine Tasse Kaffee in dem winzigen Caffè Stretto zu trinken. Es lag direkt gegenüber vom Hotel, und sie konnte danach zum Strand hinuntergehen, um zu schwimmen.

    Sie freute sich darauf, die Leute am Strand um sich herum zu beobachten und die ganzen Bikinis und Badeanzüge zu sehen, die sie vielleicht zu einem neuen Design für ihre nächste Unterwäschekollektion inspirieren würden. Ihr Geschäft Temptation war zwar sehr klein, aber es war ihr Universum, und sie genoss die Herausforderung, von Zeit zu Zeit einige Entwürfe für die Spitzenfirma Bertosti zu kreieren.

    Irgendwann würde sie auch die luxuriösen Boutiquen in Forte die Marmi besuchen und schauen, was die Konkurrenz so machte. Vielleicht konnte sie Stefano sogar überreden, mitzukommen.

    Ja, das Leben war schön, und sie war dankbar für alles, was sie hatte. Ihr Herz weitete sich vor Glück. Sie lächelte Stefano an.

    Er schaute sie an, dann murmelte er in ihr Ohr: »Wo kommt denn dieses Tausend-Watt-Lächeln her?«

    Carlina zuckte mit den Schultern. »Ich bin so glücklich. Alles ist perfekt.«

    Er hob eine Augenbraue. »Lass uns hoffen, dass dies nicht die berühmten letzten Worte sind.« Dann neigte er den Kopf in Richtung Carlinas Mutter. »Ich sehe, dass Fabbiola wieder dazu übergegangen ist, ein Kissen herumzuschleppen. Ich dachte, die Phase sei vorbei?«

    Carlina seufzte. »Das hatte ich auch gehofft, aber anscheinend hat sie die Kissen-Herumschlepp-Phase nur während der intensiven Strickphase fallen gelassen. Sie sagte, die Stricksachen fühlten sich fast wie ein Kissen an und seien auch gesellschaftlich akzeptierter.«

    Stefano schluckte. »Und jetzt?«

    »Jetzt hat sie das Stricken aufgegeben, weil es für den Sommer zu heiß ist, und ist wieder zu den Kissen zurückgekehrt.«

    »Und das ist kühler?« Der ironische Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.

    Carlina lachte. »Nein, aber man kann sich am Strand einfach draufsetzen.«