Leben auf dem Boot - Dinge, die ich gelernt habe

Seit Juni 2021 leben wir auf einem Motorboot -- zumindest wochenweise. Ich hatte mir das Ganze hoch romantisch und wild frei vorgestellt, fand die erste Saison dann aber doch ganz schön anstrengend. Die zweite Saison ist viel einfacher, weil wir diverse Dinge angepasst haben. In unserer Suchphase habe ich stundenlang im Internet gewühlt und versucht, möglichst viele Informationen zu finden, die mir weiterhelfen können. Viel habe ich gefunden, manches nicht. Also habe ich einfach mal eine Liste angefertigt, mit den Dingen, die mir neu waren und die ich für mich als hilfreich entdeckt habe. Vielleicht hilft es Euch ja auch - wenn ja, würde ich mich freuen!

  1. Diesel ist verdammt rutschig.

     
  2. Du brauchst mehr Stauraum für Werkzeug als für Klamotten.

     
  3. Kleine Pflegemitteleinheiten sparen viel Schleppen (Shampoo, Creme, etc.), auf dem täglichen Weg zum Bad – Nachfüllen, nicht wegwerfen, wenn sie leer sind!

     
  4. Du brauchst anständige Bootsschuhe, die nicht rutschen (denn barfuß gehst Du fast nie – das Deck ist entweder zu kalt oder zu heiß oder der Steg zu splittrig). Espandrillos sind gut. Flipflops bieten nicht genug Halt.

     
  5. Ich habe noch nie so viele blaue Flecken und Schrammen gehabt: Kleine Schrauben (an der Reling und anderen schmalen Durchgängen) müssen alle nach außen zeigen! Alle vorhandenen Kanten abrunden!

     
  6. Die Bilge (= der unterste Punkt im Boot) muss nicht staubtrocken sein (vor allem, wenn man eine Stopfbuchse hat).

     
  7. Eine Stopfbuchse stopft den Übergang von der Welle von außen nach innen ab. Sie muss feucht sein (sonst wird sie heiß und geht kaputt). Deshalb darf sie auch tropfen, aber nicht zu viel. Was das genau heißt, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Im ersten Sommer hatten wir ständig Wasser in der Bilge. Im zweiten Sommer (nachdem wir die Stopfbuchse ausgetauscht hatten) gar nicht mehr.

     
  8. Man lernt eine komplett neue Sprache ("langsam in die Vorspring eindampfen" ist ein schönes Beispiel) – und sucht ständig nach den richtigen Wörtern. Am besten gemeinsam neue Begriffe festlegen. Der Raum unter dem Niedergang (d.h. der Treppe) ist z.B. bei uns die »Dunkelkammer«.

     
  9. Man kann auf 11,5m unglaublich viel verstauen – und verlieren. Am besten am Anfang beschriften, was wo ist!

     
  10. Man muss Seile werfen üben! Cowgirls und Cowboys entstehen nicht aus dem Nichts.

     
  11. Die Knoten müssen sitzen (vor allem der Webleinensteg und die Belegung der Klampen)– auch in stressigen Augenblicken (üben!)

     
  12. Man schreit sich oft an, weil man sich sonst nicht versteht. Wir haben uns irgendwann darauf geeinigt, liebevolle Kostenamen zu ergänzen (Leinen los, mein Täubchen! :-) ). Mehr als Scherz, aber es hat geholfen.

     
  13. Ablege- und Anlegemanöver vorher in Ruhe gemeinsam absprechen.

     
  14. Ausreichend kleine Schälchen mitnehmen – es regnet immer irgendwo durch (das war übrigens in der zweiten Saison viel besser!).

     
  15. Ein wenig Wasser im Boot ist kein Grund, in Panik zu verfallen.

     
  16. Wenn Wasser im Boot ist: Mit Geduld den Weg zurückverfolgen. Es ist erstaunlich, wie weit Wasser wandern kann. Das geht sehr gut, indem man kleine Stücke von Küchenrollenpapier an strategischen Stellen festklebt. So sieht man genau, wo Wasser entlang läuft und wo nicht.

     
  17. Absaugmöglichkeiten für Fäkalientanks sind rar – gut planen!

     
  18. An der Elbe auf keinen Falls ins Blaue fahren, sondern vorher sorgfältig JEDEN Punkt planen – sonst muss man unfreiwillige Nachtfahren in Kauf nehmen. Von Magdeburg an flussaufwärts gibt es kaum Service - und gar keine Absaugmöglichkeiten für Fäkalientanks.

     
  19. Mit Gas kochen ist wahnsinnig schnell und einfach (warum hatte ich so lange Angst davor?).

     
  20. Ein Fäkalientank müffelt immer ein wenig (nicht unters Bett bauen) – und mit einer Plastiktischdecke vom Baumarkt abdecken, das hilft!

     
  21. Vor Spinnen darf man keine Angst haben – es gibt sie in Unmengen. Einfach wegfegen. Die Spinnensprays vom Baumarkt sind knallharte Insektizide - die würde ich meiner Umwelt und mir nicht antun.

     
  22. Neu eingebaute Elemente haben fast immer erst einmal irgendeinen Mangel oder ziehen Folgeerscheinungen nach sich, die behoben werden müssen. Insbesondere, wenn die Werft nicht ganz koscher ist. Davon gibt es viele, denn die gehen oft davon aus, dass man a) Geld wie Heu hat und b) keine Ahnung hat. Genau hinsehen und nachfragen!

     
  23. Elektrik: Alles akribisch auszeichnen!

     
  24. Alle Tankdeckel beschriften, um furchtbare Fehler zu vermeiden! (Diesel im Wassertank ist nicht gut!).

     
  25. Es wird verdammt heiß unter Deck. Beschattungssysteme sind absolut wichtig. Ebenso die Möglichkeit, Fenster zu öffnen. UND: Es gibt kleine Ventilatoren, die mit USB funktionieren. Die bringen ein wenig Abkühlung. Tatsächlich war die Hitze eines der Hauptprobleme in der ersten Saison.

     
  26. Die Leuchten von Prebit sind super – lassen sich dimmen, mit USB-Anschluss. Jetzt haben wir gemütliches Licht in der Koje, nachdem es sich vorher anfühlte, als ob man auf einem OP-Tisch liegt, weil alles so gut ausgeleuchtet war. Hurra!

     
  27. Matratzen an schönen Tagen aufs Dach legen – dann lüften sie und dämmen gleichzeitig.

     
  28. Eine Yogamatte ist ein Verwandlungskünster: Yogamatte, Rückenrolle, Bodenbelag, Fensterschutz

     
  29. Panzertape, Küchenrolle, Klettband sowie Kabelbinder solltest Du kiloweise vorrätig haben.

     
  30. Alles an Bord ist VIEL teurer als an einem Haus – weil es GAR keine Standards gibt (jedes Fenster und jedes Kissen ist eine Sonderanfertigung).

     
  31. IMMER ein Fenster irgendwo geöffnet lassen (zumindest einen Spalt), auch im Winterlager. Sonst schimmelt alles. Im Winter zusätzlich Entfeuchtergranulat aufbauen (das funktioniert auch ohne Strom).

     
  32. Bei einem geschlossenen Kühlsystem: Der Anteil an Frostschutzmittel im Tank kann mit einem Messgerät (sieht aus wie ein gigantisches Fieberthermometer) gemessen werden. Sehr praktisch.

     
  33. Statt Frostschutzmittel hochprozentigen Alkohol in den Frischwassertank geben!

     
  34. Jedes zusätzliche Loch an Deck tunlichst vermeiden – es ist fast immer erst einmal undicht.

     
  35. Die Batterie darf nicht so belegt sein, dass Spiel ist, sonst fängt sie durch die Bewegung an zu wackeln und entzündet sich. Unser Boot ist dadurch fast in die Luft geflogen.

     
  36. Kabel dürfen nicht frei hängen, damit sie sich bei der Bewegung nicht durch ihr eigenes Gewicht aus den Buchsen lösen.

     
  37. Sitzflächen mit Gurten in einem Rahmen sind sehr viel bequemer als Sitzflächen, die nur ein Schaumstoffpolster aufgelegt haben. Sie können aber nicht heruntergenommen werden, sondern sind fest montiert, weil sie zu schwer werden.

     
  38. Man kann Kuchen in einer Pfanne mit Deckel auf dem Gasherd backen. Es gibt sogar Kochbücher dafür.

     
  39. Idealerweise sollte man eine Espresso-Maschine haben, die auf dem Gasherd funktioniert (wie in Italien). Dann ist man völlig unabhängig vom Landstrom.

     
  40. Dreckiges Geschirr mit einem Küchentuch auswischen, vor dem Abwaschen, um das Grauwasser nicht zu sehr zu belasten (vor allem, wenn das Essen fettig war).

     
  41. Niemals ohne Sicherheitseinweisung losfahren, wenn Gäste an Bord sind. Die Lage kann erstaunlich schnell erstaunlich brenzlig werden.

     
  42. Die Planung der Route nimmt extrem viel Zeit in Anspruch, weil so viele Eckpunkte berücksichtigt werden müssen (Wassertiefe im Hafen, Vorhandensein der aktuell benötigten Services wie Strom, Wasser, Abwasser, Restaurant, Supermarkt, Baumarkt, Elektromarkt!) - die Distanzen sind auf einmal riesig, weil man an Land alles zu Fuß oder mit dem Rad erledigen muss.

     
  43. Wir schlafen an Bord wie die Steine. Es können ganze Truppen über unser Boot hinweg trampeln, wir hören es nicht.

     
  44. Die Sonnenuntergänge sind sensationell. Daran gewöhne ich mich nicht (zum Glück).

     
  45. Man ist doch ziemlich einsam – Stegbekanntschaften bleiben meistens flüchtig. Das war für mich das zweite Hauptproblem in der ersten Saison. In der zweiten Saison bekamen wir mehr Besuch, das war gut!

     
  46. Wirklich wichtige Dinge müssen doppelt vorhanden sein – Mein Headset ging 100 km vom nächsten Technikmarkt entfernt kaputt :-(

     
  47. Wenn man am Steg dicht an dicht liegt, ist es manchmal wie in einer Reihenhaussiedlung. Draußen auf dem See ankern und übernachten ist schöner, aber eine Ankerwache ist wichtig (auf dem Tablet / Handy einrichten).

     
  48. Man sollte eine getrennte Batterie haben, die den Motor anwirft. Dann kann man sich aus eigener Kraft wieder vollladen, auch wenn die Batterien zu stark entladen worden sind.

     
  49. Der Smoothie-Maker war im Sommer richtig cool – sehr erfrischend und praktisch (auch wenn wir dafür ausgelacht wurden. Dann sind wir eben Yuppie-Skipper und stehen dazu ;-)  ).

     
  50. Wir haben viele Wraps gegessen, gefüllt mit Gemüse und Salat. Perfekt für zwischendurch.

     
  51. Es sollten immer mindestens zwei Leute an Bord sein, die fahren können und sich auskennen. Zu schnell kann einer ausfallen, und wenn dann nur noch Ahnungslose an Bord sind, ist das nicht lustig. Daher mein Aufruf an alle Frauen: Traut es Euch zu und macht den Motorbootführerschein! Selbst, wenn man sich überwinden muss und Angst hat - die Unabhängigkeit lohnt sich!

     
  52. Die Anzeigen der Tanks sind eher eigenwillig. Nicht zu 100% darauf verlassen! Ersatzkanister mithaben!

     
  53. Frischwasser kippt schnell. Den Tank nicht vollständig füllen, lieber häufiger frisches Wasser nachgeben. Falls das Wasser doch anfängt, muffig zu riechen: Komplett ablaufen lassen, einige Liter neu befüllen, wieder ablaufen lassen, und dann erneut befüllen. Die Zusätze, die es im Baumarkt gibt, nutzen wir nicht – das ist uns nicht geheuer, denn wenn man das Kleingedruckte liest, wird einem eher schlecht.

     
  54. Es gibt viele tolle Solarlampen auf dem Markt, die gemütliches Licht machen. Sehr empfehlenswert sind z.B. die Lampions von Ikea.

Diese Liste ist nicht vollständig. Ich werde sie immer wieder erweitern. Vielleicht hilft sie Euch ein wenig ...

Für mich ist das Fazit: Ich bin wahnsinnig gern auf dem Wasser. Aber es gibt Dinge an Land, die mir das Wasser nicht bieten kann, und dazu gehören insbesondere Freunde und Sport (ich tanze Lindy Hop und spiele ab und zu ein wenig Tennis). Daher ist für mich eine Mischung ideal. Ach so, für die, die es interessiert: Wir leben auf einem holländischen Stahlverdränger, 11,5 x 3,2m, Tiefgang 1,10m.

Natürlich spielt meine Erfahrung mit den Booten in meine Bücher hinein. Ein ganz kleines Stück davon ist in meiner neuen Reihe "Mord in Viareggio" zu spüren. Vielleicht schreibe ich ja auch einmal einen Krimi, der auf einem Hausboot spielt ... mal sehen!